Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854) war ein bedeutender deutscher Philosoph und eine zentrale Figur der deutschen idealistischen Philosophie im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Schelling ist bekannt für seine tiefgreifenden und innovativen Gedanken zur Naturphilosophie, zur Metaphysik und zur Philosophie des Geistes. Er war ein Zeitgenosse und intellektueller Gegner von Georg Wilhelm Friedrich Hegel und hatte einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der modernen Philosophie.
Biografie:
Schelling wurde 1775 in Leonberg, einem Ort in Württemberg, geboren und studierte zunächst in Tübingen an der Universität, wo er mit Hegel und Johann Gottlieb Fichte zusammentraf. Zunächst war er von Fichtes Philosophie des Subjekts beeinflusst, bevor er seinen eigenen philosophischen Weg ging. Schelling hatte eine lange Karriere als Professor, unter anderem in Jena, Würzburg und München.
Sein Denken durchlief mehrere Entwicklungsphasen, von der frühen Naturphilosophie über die Transzendentale Philosophie bis hin zu einem eher religiös-geistlichen Denken in seinen späteren Jahren.
Zentrale Themen und Beiträge:
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Naturphilosophie:
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Schelling begann seine philosophische Karriere als Vertreter der Naturphilosophie, die er als eine Theorie über die Einheit von Natur und Geist verstand. Er wollte die natürliche Welt nicht nur als eine Ansammlung physikalischer Objekte erklären, sondern auch die geistigen und organischen Dimensionen der Natur einbeziehen.
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Er postulierte, dass die Natur als lebendige, sich entwickelnde Einheit verstanden werden müsse, die durch eine tiefere geistige Kraft oder ein abstraktes Prinzip geformt wird. Die Erscheinungen der Natur seien Ausdruck einer tieferen „philosophischen Substanz“.
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In seiner „System der gesammten Philosophie“ (1804) verknüpfte er das Konzept der Natur mit metaphysischen Ideen und prägte die Vorstellung, dass die Natur ein lebendiger Organismus sei, der von einem höheren geistigen Prinzip durchzogen wird.
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Philosophie des Subjekts:
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Schelling entwickelte ein alternatives Konzept zum Transzendentalismus Fichtes, indem er die Einheit von Subjekt und Objekt thematisierte. Während Fichte das Subjekt als zentrales Element der Realität betrachtete, sah Schelling die Wirklichkeit als ein Zusammenspiel von subjektiven und objektiven Prinzipien.
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In der „Philosophie der Identität“ (1804) argumentierte er, dass Subjekt und Objekt sich nicht isoliert, sondern ineinander durchdringen und so ein absolutes Prinzip des Seins bilden.
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Der Begriff des „Absoluten“:
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Schelling verstand das Absolute als das unendliche, unteilbare Prinzip, das sowohl Natur als auch Geist umfasst. Er versuchte, eine Philosophie zu entwickeln, die den Gegensatz zwischen Idealismus und Materialismus überwinden konnte, indem sie beides miteinander vereinte.
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Das Absolute ist für Schelling nicht nur ein abstraktes Konzept, sondern eine lebendige Realität, die in der Welt der Natur und des Geistes zum Ausdruck kommt. Diese Idee hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die spätere Philosophie, insbesondere auf Hegels Dialektik und Heideggers Existenzphilosophie.
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Schellings Auseinandersetzung mit Hegel:
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Zu Beginn waren Schelling und Hegel enge Freunde und gemeinsame Denker innerhalb des deutschen Idealismus. Doch später entwickelten sich ihre Philosophien stark auseinander.
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Während Hegel seine Philosophie des absoluten Geistes betonte, der sich in der Geschichte und in der sozialen Welt manifestiert, fokussierte Schelling sich stärker auf die mystische und organische Dimension der Wirklichkeit. Für Schelling war das Absolut ein dynamisches Prinzip der Natur, das nicht nur in der Geistesgeschichte, sondern auch in der materiellen Welt wirkte.
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Spätere Philosophie und Transzendentale Philosophie:
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In den späteren Jahren neigte Schelling mehr zu einer transzendentalen und religiösen Philosophie. Er beschäftigte sich intensiv mit den Themen Religion, Metaphysik und Theologie.
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In seiner „Philosophie der Offenbarung“ (1827) versuchte er, eine systematische Verbindung zwischen Philosophie und Religion zu schaffen. Für Schelling war der Glaube eine notwendige Ergänzung zur Vernunft, und die Wahrheit könne nur durch eine Synthese von beiden erreicht werden. Er sah in der Christlichen Religion ein System, das sowohl mit rationaler Philosophie als auch mit spirituellen Erfahrungen in Einklang stand.
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Schellings Einfluss auf die Romantik:
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Schelling hatte auch einen enormen Einfluss auf die deutsche Romantik, insbesondere auf Denker wie Friedrich Schlegel und Novalis. Sie schätzten seine Betonung auf die Einheit von Natur und Geist, die kreative Kraft der Kunst und die mystische Dimension des Lebens.
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Die Romantiker interessierten sich für Schellings Ideen, da er den Individualismus und die subjektive Erfahrung hochhielt und versuchte, die tiefere Bedeutung des Lebens und der Natur zu verstehen.
Spätere Jahre und Philosophische Bedeutung:
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In den späteren Jahren zog sich Schelling weitgehend aus der akademischen Welt zurück und verbrachte seine letzten Jahre in München, wo er an einer philosophischen Gesamtausgabe seiner Werke arbeitete.
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Auch wenn sein Einfluss in den frühen 1800er Jahren sehr bedeutend war, insbesondere in der Zeit des deutschen Idealismus, verlor seine Philosophie nach dem Aufstieg von Hegel und der Hegelschen Schule an Popularität. Heute jedoch wird Schelling zunehmend als eine der zentralen Figuren des deutschen Idealismus anerkannt.
Zusammenfassung:
Friedrich Wilhelm Schelling war ein kreativer und komplexer Denker, dessen Philosophie eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den Grundfragen der Natur, des Geistes und des Absoluten darstellt. Er versuchte, eine Philosophie zu entwickeln, die die Dualität von Geist und Natur überwinden und die Einheit der Wirklichkeit zeigen konnte. Sein Einfluss auf die deutsche Idealismusbewegung, die romantische Literatur und die spätere Existenzphilosophie ist unermesslich, und seine Werke bieten noch heute wertvolle Einsichten in die Fragen von Freiheit, Bewusstsein und Wahrheit.