Esowiki - Spirituelle Begriffe einfach erklärt

Giambattista Vico

...

Giambattista Vico (1668–1744) war ein italienischer Philosoph, Historiker und Rechtstheoretiker, der insbesondere für seine Arbeiten zur Philosophie der Geschichte und zur Entwicklung der Zivilisation bekannt ist. Vico gilt als einer der bedeutendsten Denker der Aufklärung und ist vor allem für seine Theorie des historischen Zyklus und das Konzept der Kulturentwicklung berühmt.

Wichtige Aspekte seiner Philosophie:

  1. Philosophie der Geschichte: Vico widersetzte sich der rationalistischen Geschichtsauffassung seiner Zeit, die Geschichte als eine lineare Entwicklung hin zu immer mehr Vernunft und Fortschritt betrachtete. Stattdessen vertrat er die Auffassung, dass die Geschichte in einem zyklischen und wiederkehrenden Muster verläuft.

    • Er prägte das Konzept der "Corsi e ricorsi" (Kurse und Rückgänge), nach dem Zivilisationen einem zyklischen Verlauf folgen, in dem sie sich von einer barbarischen oder primitiven Phase zu einer blühenden Zivilisation entwickeln und schließlich in Dekadenz und Zerfall übergehen. Dieser Prozess wiederholt sich immer wieder.

  2. Die "Scienza Nuova" (Neue Wissenschaft): Vicos bekanntestes Werk ist die "Scienza Nuova" (Neue Wissenschaft), das er 1725 veröffentlichte. In diesem Werk entwickelte er seine Theorie der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und der Zivilisation. Er betrachtete die Geschichte der Menschheit als einen kulturellen Entwicklungsprozess, der durch die Kreativität und Kraft des menschlichen Geistes vorangetrieben wird.

    • Vico unterteilte die menschliche Geschichte in drei große Epochen:

      1. Die göttliche Phase (età degli dèi): In dieser ersten Phase waren die Menschen in einem primitiven Zustand, regiert von Göttern und übernatürlichen Kräften.

      2. Die heroische Phase (età degli eroi): In dieser Phase erhob sich der Mensch zu einem gesellschaftlichen und politischen Leben, was durch die Entstehung von Kriegern und Anführern gekennzeichnet war.

      3. Die menschliche Phase (età degli uomini): In der letzten Phase erreichte die Zivilisation ihre höchste Entwicklung in Form von Gesetzen, staatlichen Institutionen und rationaler Ordnung.

  3. Der Einfluss der Mythologie: Vico argumentierte, dass die Entwicklung von Gesellschaften und Kulturen ursprünglich mythologisch geprägt war. Er betonte, dass die frühen Menschen, da sie keine rationalen Konzepte hatten, die Welt durch Mythen und Symbole erklärten. Diese mythischen Erklärungen bildeten die Grundlage für die spätere Entwicklung der Rationalität und Wissenschaft.

    • Für Vico waren Mythen nicht nur fiktive Erzählungen, sondern sie trugen tiefere Wahrheiten über die menschliche Natur und das kollektive Bewusstsein der Gesellschaft in sich. Durch den Zyklus der Geschichte würde der Mensch schließlich zu einer rationaleren, aber auch entzauberten Weltanschauung gelangen.

  4. Die Bedeutung der "Verstehen" (Verum = Factum): Ein weiterer zentraler Aspekt von Vicos Philosophie war seine Idee, dass Wahrheit nur durch Verstehen und Schöpfung zugänglich ist. Er formulierte das berühmte Prinzip „Verum ipsum factum“, was bedeutet, dass das, was wahr ist, nur das ist, was der Mensch selbst gemacht hat. Daraus folgt, dass der Mensch die Welt durch seine eigene Kreativität und Schöpfung verstehen muss.

    • Vico glaubte, dass der Mensch nur durch symbolische und historische Entfaltung die tiefere Wahrheit über die Welt entdecken könne, die weit über die bloße Wahrnehmung und logische Schlussfolgerung hinausgeht.

  5. Rolle der Sprache und der Poetik: Vico hob die Rolle der Sprache in der Entwicklung der Menschheit hervor. Er argumentierte, dass die ursprüngliche Sprache der Menschen eine poetische und symbolische war, die nicht auf rationale Logik angewiesen war. Die Entwicklung von Sprache und Symbolismus war ein wichtiger Teil der kulturellen Evolution.

    • Diese Sichtweise beeinflusste später die Romantiker, die den symbolischen Charakter der menschlichen Existenz und der kulturellen Ausdrucksformen betonten.

Vicos Einfluss:

Giambattista Vicos Werk, insbesondere seine "Scienza Nuova", hatte einen nachhaltigen Einfluss auf verschiedene Philosophen, Historiker und Kulturtheoretiker:

  • Johann Wolfgang von Goethe und die Romantiker schätzten Vicos Ideen zur Kulturentwicklung und Mythologie.

  • Karl Marx und andere Denker der Historischen Materialismus griffen auf Vicos zyklische Sichtweise von Geschichte zurück, auch wenn sie sie in eine materialistische Richtung weiterentwickelten.

  • Hegel beeinflusste seine dialektische Auffassung von Geschichte durch den Begriff des „Weltgeistes“, obwohl Vicos Vorstellung des historischen Zyklus diesen Gedanken vorwegnahm.

Vicos geschichtstheoretische Arbeiten trugen auch zur Entwicklung einer geisteswissenschaftlichen Historie bei, die sich nicht nur auf empirische Fakten stützt, sondern auch die symbolischen und kulturellen Aspekte der menschlichen Zivilisation einbezieht.

Zusammenfassung:

Giambattista Vico war ein Philosoph und Historiker, der eine zyklische Theorie der Geschichte entwickelte, nach der Zivilisationen bestimmte Entwicklungsphasen durchlaufen. Er betonte die Bedeutung von Mythen, Sprache und symbolischer Ausdruckskraft in der Geschichte. Sein Hauptwerk, die "Scienza Nuova", bleibt ein bedeutendes philosophisches und geschichtswissenschaftliches Werk, das die Entwicklung der Philosophie der Geschichte maßgeblich beeinflusste.

Vico wird oft als ein Vorreiter der Romantik und der Historischen Wissenschaft betrachtet und bleibt ein faszinierender Denker, dessen Ideen weiterhin in der Philosophie und den Sozialwissenschaften diskutiert werden.