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Schöpfungsspiritualität

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Schöpfungsspiritualität ist ein spirituelles Konzept, das den göttlichen Ursprung und die göttliche Gegenwart in der Schöpfung betont. Sie sieht die Welt und das Universum nicht nur als einen physischen Raum, sondern als einen Ausdruck der göttlichen Wirklichkeit und als lebendigen und heiligen Raum, in dem Gott oder das Göttliche gegenwärtig ist. Diese Spiritualität ist oft eng mit Ökologie, Naturverbundenheit und einer tiefen Achtung vor der Erde und allen Lebewesen verbunden.

Grundprinzipien der Schöpfungsspiritualität:

  1. Gott als Quelle der Schöpfung: Die Schöpfung wird als eine ausdrückliche Manifestation des Göttlichen verstanden. In vielen spirituellen Traditionen, insbesondere in den monotheistischen Religionen wie Christentum, Judentum und Islam, wird Gott als der Schöpfer der Welt betrachtet. Schöpfungsspiritualität sieht diese Welt nicht als etwas Abgetrenntes vom Göttlichen, sondern als das sichtbare Zeichen des unsichtbaren, ewigen Schöpfers.

  2. Heiligkeit der Schöpfung: Die Welt ist in dieser Sichtweise nicht nur materiell oder „gewöhnlich“, sondern heilig. Alles, was existiert – vom kleinsten Blatt bis zu den weitesten Sternen – trägt eine göttliche Präsenz und Bedeutung. Dies wird oft durch die Vorstellung symbolisiert, dass der göttliche Funke in allem lebt, was erschaffen wurde.

  3. Einheit von Mensch und Natur: Schöpfungsspiritualität betont oft eine enge Verbindung zwischen dem Menschen und der Natur. Der Mensch wird nicht als Herrscher der Erde betrachtet, sondern als ein Teil des kosmischen Ganzen. In vielen Traditionen wird der Mensch als Verwalter oder Hüter der Schöpfung angesehen, dessen Aufgabe es ist, im Einklang mit der Natur und allen Lebewesen zu leben und Verantwortung für den Schutz der Erde zu übernehmen.

  4. Ökologische Verantwortung: Ein zentraler Aspekt der Schöpfungsspiritualität ist die Achtsamkeit für die Umwelt und die Verantwortung für die Erde. Diese Spiritualität fördert den Respekt vor der Natur und fordert ein ethisches Leben im Einklang mit den natürlichen Zyklen und Prozessen. Sie spricht sich gegen Ausbeutung und Zerstörung der natürlichen Welt aus und fordert die Menschen dazu auf, die Erde zu bewahren und zu heilen.

  5. Erfahrungen der Transzendenz in der Natur: In der Schöpfungsspiritualität wird die Natur als eine Quelle spiritueller Erfahrung und Erkenntnis angesehen. Viele spirituelle Praktiken beinhalten, bewusst in der Natur zu sein, etwa durch Meditation im Freien oder Achtsamkeitspraxis in natürlichen Umgebungen. In dieser Praxis wird die Präsenz des Göttlichen durch die Schönheit und den „Zauber“ der Natur erfahren.

  6. Integrale Spiritualität: Schöpfungsspiritualität ist oft Teil eines integralen spirituellen Ansatzes, der das ganze Leben als heilig ansieht. Dies bedeutet, dass sowohl das tägliche Leben, zwischenmenschliche Beziehungen, die Arbeit und die persönliche Entwicklung in den Kontext der göttlichen Schöpfung gestellt werden. Alles, was lebt, wird als Teil eines größeren, göttlichen Plans verstanden.

Wichtige Vertreter der Schöpfungsspiritualität:

  1. Thomas Berry (1914–2009): Der katholische Theologe und Historiker Thomas Berry war ein wichtiger Vertreter der Schöpfungsspiritualität. Er entwickelte eine kosmologische Vision, die die tiefere Verbindung zwischen Mensch, Erde und Kosmos betonte. Berry war ein leidenschaftlicher Verfechter der Ökologie und stellte die göttliche Präsenz in allen Aspekten der Natur in den Mittelpunkt seiner Lehren. In seinem Werk „The Dream of the Earth“ (1988) fordert er eine spirituelle Erneuerung, die das Bewusstsein für die Erde als heiligen Raum stärkt.

  2. Matthew Fox (geb. 1940): Matthew Fox ist ein prominenter Theologe und Mystiker, der die Schöpfungsspiritualität in den Kontext des christlichen Glaubens stellte. Er entwickelte die sogenannte „Creation Spirituality“, die die mystische und ekologische Dimension der Schöpfung betont. In seiner Arbeit hebt Fox hervor, dass spirituelle Entwicklung und Ökologie untrennbar miteinander verbunden sind und dass das Verständnis der Schöpfung als heilig zu einer tieferen spirituellen Praxis führt.

  3. Hildegard von Bingen (1098–1179): Eine der bekanntesten mittelalterlichen Mystikerinnen, Hildegard von Bingen, hatte eine stark integrative Sicht auf die Schöpfung. Sie betrachtete die Natur und alle Kreaturen als Zeugen Gottes und als Ausdruck der göttlichen Weisheit. Ihre Visionen und Schriften betonten die tiefere Spiritualität der Natur, was in vielen ihrer Werke eine Bedeutung hat, wie in ihren "Visionen" und theologischen Schriften.

  4. Francis von Assisi (1181–1226): Der heilige Franz von Assisi ist als Patron der Umwelt und ein Symbol für Schöpfungsspiritualität bekannt. Franz von Assisi betrachtete alle Lebewesen als Brüder und Schwestern und sah sich selbst als einen Teil der Schöpfung. In seiner Lobpreisung der Schöpfung (das „Sonnengesang“), spricht er in Ehrfurcht und Liebe von den natürlichen Elementen und Lebewesen und sieht diese als Ausdruck der göttlichen Liebe und Weisheit.

Praktiken der Schöpfungsspiritualität:

  1. Achtsamkeit und Meditation in der Natur: Menschen, die sich der Schöpfungsspiritualität zuwenden, üben oft Achtsamkeit und Meditation in der Natur, um die göttliche Präsenz zu erfahren. Diese Praktiken helfen, eine tiefere Verbindung zur Erde und zu den natürlichen Prozessen herzustellen und das Bewusstsein für die Heiligkeit der Schöpfung zu schärfen.

  2. Ökologische Verantwortung und Handeln: Ein wesentlicher Teil der Schöpfungsspiritualität ist das ethische Handeln, das auf dem Prinzip basiert, dass wir als Menschen für den Schutz der Erde verantwortlich sind. Dies kann sich in nachhaltigen Lebensweisen, dem Verzicht auf unnötigen Konsum oder in der Unterstützung von Umweltschutzprojekten äußern.

  3. Dankbarkeit und Lobpreisung der Natur: Viele Praktiken beinhalten ein Ritual der Dankbarkeit für die Gaben der Schöpfung, wie das tägliche Gebet oder die Meditation, die die Schönheit und den Reichtum der Natur würdigen. Feiern der Zyklen der Natur, wie Feste zu den Jahreszeiten, sind ebenfalls eine gängige Praxis.

Zusammenfassung:

Schöpfungsspiritualität ist eine spirituelle Praxis, die die Göttlichkeit in der gesamten Schöpfung erkennt und betont, dass alles Leben heilig und miteinander verbunden ist. Sie fordert den Menschen auf, sich mit der Natur zu verbinden, sie zu respektieren und Verantwortung für ihren Erhalt zu übernehmen. Diese Spiritualität ist tief mit einer mystischen Erfahrung der göttlichen Präsenz in der Welt verwoben und fordert eine ethische und ökologische Verantwortung, die auf der Anerkennung der Heiligkeit der Erde basiert.