Die Jesiden (Yeziden) sind eine ethnisch-religiöse Gemeinschaft mit uralten Wurzeln, die hauptsächlich in Irak, Syrien, der Türkei und Armenien lebt. Ihre Religion, der Jesidismus, ist eine eigenständige monotheistische Glaubensrichtung mit Einflüssen aus dem Zoroastrismus, dem Islam, dem Christentum und anderen alten Nahost-Religionen.
Ein Gott (Xwede): Die Jesiden glauben an einen einzigen, allmächtigen Gott, der die Welt erschaffen hat.
Melek Taus (Engelpfau): Der wichtigste Engel und höchste Diener Gottes, oft missverstanden als „Teufelsanbetung“, da sein Mythos Ähnlichkeiten mit dem islamischen Iblis aufweist. In der jesidischen Lehre ist er jedoch ein göttlicher Bote und Hüter der Welt.
Reinkarnation: Jesiden glauben an Seelenwanderung und spirituelle Reinigung durch Wiedergeburt.
Heilige Schrift: Es gibt zwei Haupttexte – das Kitêbê Cilwe (Buch der Offenbarung) und das Mishefa Reş (Schwarzes Buch), obwohl viele religiöse Überlieferungen mündlich weitergegeben werden.
Kastenwesen: Jesiden sind in spirituelle Klassen eingeteilt – Sheikhs, Pîrs und Murîds (Gläubige).
Endogamie: Heiraten außerhalb der jesidischen Gemeinschaft ist nicht erlaubt, um die Reinheit des Glaubens zu bewahren.
Pilgerfahrt nach Lalisch: Der Tempel von Lalisch (im Nordirak) ist das wichtigste Heiligtum der Jesiden.
Jesiden wurden historisch oft missverstanden und verfolgt, insbesondere unter dem Osmanischen Reich und in jüngerer Zeit durch den IS-Terror (2014) im Nordirak. Tausende Jesiden wurden getötet oder versklavt, und viele mussten fliehen.
Heute leben schätzungsweise 1 Million Jesiden, darunter große Gemeinschaften in Deutschland, Armenien und Georgien. Deutschland beherbergt eine der größten jesidischen Diasporas weltweit.
Die Jesiden haben eine einzigartige spirituelle Tradition, die stark von mündlicher Überlieferung geprägt ist. Ihre Rituale und Feste spiegeln den Kreislauf der Natur und ihre spirituelle Verbundenheit mit Gott und Melek Taus wider.
Jesiden führen eine Taufe mit heiligem Wasser aus der Quelle von Lalisch durch.
Sie wird meist im Babyalter vollzogen und gilt als spirituelle Reinigung.
Jesiden beten zweimal täglich (morgens und abends) in Richtung der Sonne.
Während des Gebets küssen sie die Erde als Zeichen der Demut.
Es gibt keine festen Moscheen oder Kirchen – das Gebet kann überall verrichtet werden.
Feuer gilt als heilig, da es Licht und Reinheit symbolisiert.
Kerzen werden zu Ehren der Engel angezündet, besonders in Heiligtümern wie Lalisch.
Flüsse und Quellen gelten als heilig.
Vor wichtigen religiösen Handlungen erfolgt oft eine rituelle Waschung.
Jesiden glauben, dass Pflanzen, Tiere und die Erde spirituelle Kräfte haben.
Bestimmte Bäume und Quellen gelten als heilig.
Wann? Jedes Jahr im Oktober (erste Woche).
Wo? Im Heiligen Tal von Lalisch im Nordirak.
Bedeutung:
Gläubige aus aller Welt pilgern nach Lalisch.
Sie besuchen das Grab von Scheich Adi, einer zentralen spirituellen Figur der Jesiden.
Es gibt Gebete, Opfergaben, Tänze und spirituelle Zeremonien.
Wann? Erster Mittwoch im April.
Bedeutung:
Symbolisiert die Schöpfung der Welt und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit.
Häuser werden mit Eiern und Blumen geschmückt.
Melek Taus soll an diesem Tag die Erde gesegnet haben.
Tradition:
Frauen färben Eier (ähnlich wie Ostern).
Es werden Feuer angezündet, um Licht und Wärme zu feiern.
Wann? Dezember (drei Tage lang).
Bedeutung:
Dient der inneren Reinigung und Besinnung.
Man verzichtet auf Essen und Trinken von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.
Nach dem Fasten: Ein Festmahl mit Familie und Freunden.
Wann? Nach der dreitägigen Fastenzeit im Dezember.
Bedeutung:
Dankbarkeit für die Gaben der Erde.
Gebete für Glück und Schutz im kommenden Jahr.
Tradition:
Opfergaben (z.B. Brot und Süßigkeiten) werden verteilt.
Besuche bei Familie und Freunden.
Jesiden gedenken ihrer Ahnen an bestimmten Tagen, indem sie Speisen spenden und Kerzen für die Seelen der Verstorbenen anzünden.
Friedhöfe sind wichtige spirituelle Orte für Gebete und Reflexion.
Heirat außerhalb des Glaubens ist nicht erlaubt (Endogamie-Regel).
Bestimmte Lebensmittel wie Salat sind tabu, weil sie als unrein gelten.
Das Wort „Satan“ (Şeytan) darf nicht ausgesprochen werden, da es als blasphemisch gilt.
Sheikhs & Pîrs sind spirituelle Lehrer, die Wissen weitergeben.
Qewwals sind religiöse Sänger, die heilige Lieder und Gebete verbreiten.
Der Jesidismus ist eine tief verwurzelte spirituelle Tradition, die auf mündlichen Überlieferungen, Naturverehrung und der Suche nach Harmonie basiert. Besonders die Rituale rund um Licht, Feuer und Wasser spiegeln das zentrale Thema des Glaubens wider: die Verbindung zwischen Mensch, Natur und Göttlichkeit.